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Die amerikanischen Baustellen der nächsten Monate

Jetzt ist es also das passiert, was ohnehin schon seit Wochen klar war: Der Senat ist ab Jänner republikanisch dominiert. DemokratInnen haben nur eines der (manchmal gar nicht so) knappen Rennen für sich entscheiden können. (1)
Trotz der pessimistischen Erwartungen gab es einige böse Überraschungen für DemokratInnen – etwa die Gouverneurswahl im liberalen von DC Vororten geprägten Maryland. Dort gewann zum erstaunen vieler Beobachter ein Republikaner.
Medial wird die Sache – hier wie drüben – auch als Abrechnung gegen Obama gelesen, doch dass Präsidenten im Laufe ihrer Amtszeit die Mehrheit verlieren ist nicht ungewöhnlich. Das hat sogar einen Namen: Six-year itch.
Warum es so schwierig ist, zu analysieren was dieser Sieg ändert, liegt vor allem am schon bestehenden Gridlock: Die Regeln, wie der Senat funktioniert wurden von der republikanischen Minderheit der letzten acht Jahre geändert. Der berüchtigte Filbuster hat die notwendige de facto Mehrheit auf 60 Stimmen erhöht. Die RepublikanerInnen haben seit gestern 52 SenatorInnen. Die Variable der nächsten Jahre: Können und wollen DemokratInnen genauso konsequent konservative Gesetzesentwürfe blockieren, wie es die RepublikanerInnen in den letzten sechs Jahren gemacht haben?

Und: Was ist eigentlich die konservative Agenda? RepublkanerInnen haben nicht wegen ihrer Forderungen gewonnen, sondern mit Phrasen und aufgrund einer allgemeinen Unzufriedenheit mit dem Präsidenten. Diese Mehrheit jetzt in Politik zu verwandeln, wird auch zu spannenden Dynamiken innerhalb der RepublikanerInnen führen. Dementsprechend wird es auch auf Policy Ebene zu überraschenden Vorstößen kommen, die uns in Europa sicher zum Teil an den Kopf greifen lassen.
Ein paar Baustellen zeichnen sich aber schon ab:

– Obamacare
Im House haben sie mittlerweile über 40 mal für eine Aufhebung der Gesundheitsreform gestimmt. Im Senat werden sie das sicher auch tun. Eine direkte Aufhebung wird aber zu 100% zu einem Veto des Präsidenten führen. Neben diesem eher symbolischen Akt gibt es andere Wege die Gesundheitsreform zu boykottieren. Einer führt über die Bundesstaaten, die einer wesentlichen Säule (die Ausweitung von Medicare auf Einkommen unter $16000) zustimmen müssen. Vier neue republikanische Gouverneure werden das schwerer machen.

– Die Keystone XL Pipeline
Präsident Obama war unentschlossen, was den Ausbau der Pipeline von Kanada bis zum Golf von Mexiko betrifft und wurde von seiner progressiven Basis und Umweltschutzorganisationen unter Druck gesetzt, die Entscheidung zumindest zu verschieben. Diese Pipeline könnte die erste Kompromissmaterie in Verhandlungen mit dem neuen Senat werden.

– The Supremes
Vier der neun Richter am Verfassungsgerichtshof sind über 70. Ruth Bader Ginsburg, die mit 81 älteste liberale Richterin hat erst im September bestätigt, dass sie ihren Sitz nicht vorzeitig räumt, weil es Obama im derzeitigen politischen Klima unmöglich wäre, eine liberale wie sie nachzubesetzen. Die anderen drei potentiellen Pensionisten sind konservative und denken dementsprechend nicht daran, Obama die Freude zu machen zu gehen. Sollte einer von ihnen unfreiwillig gehen (aka sterben) würde das die Machtverhältnisse am Gericht deutlich verschieben. Zwar würde Obama niemals wieder so liberale Kandidatinnen durch den Senat bekommen, wie die Richterinnen Kagan und Sotomayor, aber selbst ein/e moderater RichterIn wäre eine Sensation und eine langfristige Veränderung der politischen Verhältnisse. Wenn sich Bader Ginsburgs Meinung tatsächlich nicht ändert, muss sie bis 2016 überleben und hoffen, dass sich das Klima ändert. ODER sie hofft auf die Lame Duck Session.

– Lame Duck Session
Weil früher die Wahlmänner aus den Weststaaten den ganzen langen weg nach Washington reiten mussten, um ihr Ergebnis zu verkünden, findet die Angelobung des neuen Senats erst Ende Jänner 2015 statt. Bis dahin sind noch die abgewählten Abgeordneten in Amt und Würden und die wesentlich freier als bisher. Heißt: Abgeordnete aus Konservativen Bezirken müssen nicht mehr auf ihr Wahlvolk Rücksicht nehmen und können machen was sie wollen. In dieser Dynamik könnte noch das eine oder andere kontroversielle Appointment gemacht werden, bevor DemokratInnen endgültig ihre Mehrheit verlieren.

– 2016
Das Electorate von Midterms und Präsidentschaftswahlen ist völlig anders. Wahlloses Beispiel: Bei den Senatswahlen in New Mexico 2012 gingen fast 800,000 Menschen zur Wahl. Gestern waren es knapp 500,000. In Texas, wo dieses Jahr sogar Gouverneurswahlen waren, waren es 3,9 Millionen vs. 7,5 vor zwei Jahren. Der direkte Einfluss auf die Wahlen oder die Möglichkeit 2014 als Omen zu betrachten sind also gering. Wohl aber hat die diesjährigen Wahl einen indirekten Einfluss auf 2016: nämlich auf der oft vernachlässigten Bundesstaatebene. Tatsächlich gibt es ja keine allgemeinen Wahlen in den USA sondern eine pro Bundesstaat, mit eigenen Regeln, Abläufen, etc. Diese werden von den lokalen Parlamenten bestimmt und vom Secretary of State administriert. Spätestens seit 2000 wissen wir, wie viel Einfluss diese lokalen Regeln und Player auf den Ausgang von Wahlen haben.

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(1) In New Hampshire ist jener Republikaner gegen Senatorin Shaheen angetreten, der vor drei Jahren – damals in Massachusetts – in einer Special Election den Sitz des verstorbenen Ted Kennedy gewonnen und vor zwei Jahren gegen Elizabeth Warren verloren hat. Selbst dieser Geographischer Opportunismus hat nicht so sehr geschadet, wie die DemokratInnen erhofft hatten.

Facebook goes Paper

photo (1) Heute vor 10 Jahren ist Facebook als Online-Version des traditionellen Harvard Erstsemestrigenportraitfotoregister online gegangen und hat seitdem – gemeinsam mit einer Hand voll anderer Plattformen – unseren Nachrichtenkonsum verändert. Im Echoprinzip argumentiere ich, dass das Netz journalistische ([Kon]Text)arbeit nicht ersetzt hat, sondern nur ergänzt. Was genau passiert ist braucht noch immer journalistische Aufarbeitung. Bloß DASS etwas passiert ist erfahren wir nicht mehr aus traditionellen Nachrichtenquellen.

Seit gestern versucht sich Facebook auch offiziell als Nachrichtenaggregator: Facebook nennt seine neue App Paper (nicht wie Papier sondern wie Zeitung). Sehr viel neu ist nicht, in Wahrheit stellt die App den eigenen Facebook Newsfeed ein bisschen hübscher (und wesentlich schneller als die alte App) dar. Was ohnehin in den letzten Monaten schon aufgefallen ist, wird jetzt noch auffälliger: Facebook schraubt zu Gunsten von Medien-Pages weiter am EdgeRank und zeigt Pages wie wie Buzzfeed, Süddeutsche und derstandard.at vermehrt. Daneben sieht man aber wie gewohnt Posts von FreundInnen, Geburtstagsglückwünsche und Babyfotos. Also „Soft/Social News“ gleichberechtigt neben Hard News (1), bloß nicht wie im Newsfeed untereinander, sondern in Indexkarten nebeneinander dargestellt. Zusätzlich zur Newsfeed-Indexkarte kann man – ähnlich wie bei Flipbook oder anderen Newsreadern – Themenindexkarten (Sport, Tech, Headlines, etc.) hinzufügen (2).

Paper kann alles, was auch die alte Facebook App kann – im rechten Eck sind wie gewohnt Freundschaftsanfragen, Nachrichten und Benachrichtigungen, etwas versteckt kommt man auch zu allen Pages und Profilen. Die tatsächliche Verbesserung ist, wie schnell Paper gegenüber der alten App selbst auf meinem alten iPhone 4 ist. Paper ist also keine Konkurrenz für Zeitungen ist, sondern vor allem für die alte Facebook App.

(1) So man bei Buzzfeed von Hard News sprechen kann.

(2) die – zumindest auf den ersten Blick – nichts an den Likes meines Accounts geändert haben.

 

Digitales Biedermeier

Ich halte ja nicht besonders viel von Prophezeiungen über die Zukunft des Webs. Wie Ingrid Brodnig erst vor wenigen Tagen festgestellt hat: Ginge es nach JournalistInnen wäre Facebook seit ca. 2009 dem Untergang geweiht. Aber gestern, bei einer Diskussion der Veranstaltungsreihe 2020 zum Thema Digitales Vertrauen hab ich mich zu was hinreissen lassen, was mir eh schon länger durch den Kopf schwirrt. Und weil’s mir recht schön gefällt, will ich dass ich der erste sein, der’s geschrieben hat: Die nächste Iteration des Web ist ein Digitales Biedermeier. Menschen ziehen sich immer mehr aus dem öffentlichen digitalen Raum zurück. Eine Person im Publikum hat mich viel schöner zusammengefasst, als es tatsächlich aus meinem Mund gekommen ist:

Nicht, dass uns das weniger verwundbar in Sachen Überwachung und Datenkrake machen würde, aber was Jugendlichen in den letzten 3-5 Jahren eingehämmert wurde, war: Mach dich nicht öffentlich und das haben sie sich gemerkt. Seit Google+ Kreise eingeführt hat, setzt auch Facebook verstärkt auf Listen, die Zuckerberg zuvor noch als unnötig abgetan hat. Das SMS Service Whatsapp ist noch kleinteiliger: Dort wird überhaupt nur mit einer hand voll FreundInnen gleichzeitig geschrieben. Sie ziehen sich zurück und sind sich ihrer Öffentlichkeit bewusster, als wir Erwachsene glauben. Sollten Jugendliche Trendsetter im Web sein (und eigentlich sind sie das selten hustNetloghust), dann ist das neue Zeitalter in das wir uns bewegen dominiert von in Privaträumen zurückgezogener Kommunikation. Das würde ich Digitalen Biedermeier nennen.

You heard it here first.

Blaue Wahrnehmungsblasen

Bis zur Österreichischen Nationalratswahl am 29. September “sehe” ich wöchentlich “dem Netz,” für die ZEIT zu, wie sie in der Bildunterschrift zur ersten Kolumne so schön schreibt. Diese fünfte Kolumne erschien am 19.9.2012.

In seinem Buch Republic 2.0 warnte der Harvard-Professor Cass Sunstein bereits vor neun Jahren vor einer Balkanisierung des Internets. Menschen würden bald nur mehr jene Blogs und Nachrichten lesen, die sie in ihrer Meinung bestärken. Dadurch würden sie sich in einer Wahrnehmungsblase einschließen, in der sich ihre politische Überzeugung radikalisiert. Damit lag Sunstein nicht falsch, aber mit der Verkürzung auf die neuen Medien tat er ihnen Unrecht: In den USA ist es vor allem das Kabelfernsehen – Fox News auf der rechten und MSNBC auf der liberalen Seite –, das Kampagnenjournalismus betreibt. Besonders Republikaner greifen seit mehr als 20 Jahren unabhängige Institutionen als parteiisch an und haben es damit geschafft, selbst der New York Times oder dem öffentlich-rechtlichen Radio NPR ein linkes Image zu verpassen.

Hierzulande bedient sich die FPÖ dieser Taktik, indem sie auf kritische Fragen im Fernsehen mit „typisch ORF“ kontert.

Kein Wunder also, dass die FPÖ als eine der ersten Parteien in Österreich das Internet für sich entdeckt hat. Während traditionelle Medien freiheitlichen Botschaften kritisch gegenüberstehen und sie womöglich auf Wahrheitsgehalt überprüfen, hat die Partei online ungefilterten Zugang zu ihrer Zielgruppe. Auf YouTube sehen wöchentlich durchschnittlich 5.000 Menschen FPÖ-TV, eine Nachrichtensendung, welche die Wahrheit, die sie meinen, abbildet. Dort wird der Spitzenkandidat nach TV-Duellen zu seinen Auftritten befragt und Herbert Kickl zu Kampagnenstrategien. Die fiktiven Erlebnisse der Familie Berger, deren Sohn zum Türkischlernen gezwungen und deren Tochter das Geld von den Banken weggenommen wird, wurden von rund 60.000 Menschen gesehen.

Das Netz eignet sich auch deshalb so gut, weil es oft – wie die Partei selbst – personenzentriert ist. Und als Person funktioniert H. C. Strache. Anders als andere Parteivorsitzende hat er verstanden, was es braucht, womit man im Internet erfolgreich kommuniziert: Emotionalität vor Sachlichkeit. Gespräche unter Freunden statt Politikerreden vor Wählern.

Die FPÖ hat dort einen öffentlichen-digitalen Raum geschaffen, in dem Menschen ihre Meinung unwidersprochen und unzensiert weiterverbreiten können. Wer auf Straches Internetpräsenzen schreibt, wird niemals lesen müssen „Das sagt man nicht“, sondern im Gegenteil, er wird mit virtueller Zustimmung in Form von „Likes“ bestätigt. Und wer Glück hat, bekommt sogar ein ;-)-Smiley vom Parteivorsitzenden höchstpersönlich.

Gatekeeper und weg

Bis zur Österreichischen Nationalratswahl am 29. September “sehe” ich wöchentlich “dem Netz,” für die ZEIT zu, wie sie in der Bildunterschrift zur ersten Kolumne so schön schreibt. Diese vierte Kolumne erschien am 12.9.2012.

Um Wähler zu erreichen, mussten sich Parteien bisher weitgehend auf traditionelle Medien verlassen. Politiker erzählten Journalisten ihre Botschaften, was die umgehend zu Papier brachten – zum Leidwesen der Politik allerdings immer verkürzt, häufig adaptiert und einem Faktencheck unterzogen. Dazu bietet das Internet eine Alternative. Dort werden Bürger ungefiltert erreicht. Die journalistischen Gatekeeper haben nicht das letzte Wort.

Das bringt aber auch neue Verantwortung mit sich. Bisher produzierten die Gatekeeper Texte, Fotos, Videos, Grafiken und andere Inhalte – heute müssen das die Parteien selbst übernehmen. Vor allem Fotos und Videos funktionieren in Sozialen Netzwerken gut, weil es einfach ist, sie mit anderen zu teilen.

Parteien haben aber meist nicht die Ressourcen oder die Kompetenz, diese Inhalte zu produzieren. Deshalb müssen Kommunikatoren auf bestehende Inhalte zurückgreifen, die aber in Sozialen Netzwerken nicht und nicht funktionieren wollen – etwa der Livestream der Ministerratspressekonferenz, der von der Facebook-Seite des Bundeskanzlers beworben wird.

Die ÖVP hingegen hat die neuen Gegebenheiten zu einem anderen Extrem getrieben: Sebastian Kurz ließ für ein Wahlkampfvideo sogar falsche Zeitungsartikel produzieren, weil ihm die echten nicht positiv genug waren. Ansonsten postet die ÖVP derzeit lieber inhaltsfreie Fotos von Wahlkampfauftakten und Sommerfesten – was recht gut zum restlichen Wahlkampf passt. Es scheint, die ÖVP ist dem Missverständnis erlegen, Kommunikation in Sozialen Netzwerken müsse mit Katzen- und Urlaubsfotos konkurrieren und dürfe deshalb nicht sonderlich politisch erscheinen.

Das Gegenteil ist der Fall. Die Gruppenbilder mit Politikern vor einem Propagandaplakat haben ausgedient. Niemand teilt das Foto einer Medienaktion mit seinem Netzwerk, weil es keinen Mehrwert an Information bringt. Stattdessen sind Infografiken, die tatsächlich inhaltliches Unterfutter für eine politische Position bieten, beliebter. Die deutschsprachige Seite der OECD, die jeden Tag eine Statistik aufbereitet und damit mehr Fans hat als Kanzler und Vizekanzler zusammen, ist ein Beweis dafür.

Doch hier wird das Problem der fehlenden Kompetenz schlagend: Noch nie musste eine Partei selbst Infografiken erstellen, und so sind die meisten grafisch aufbereiteten Informationen, die in diesem Wahlkampf zu sehen sind, unansehnlich. Etwa jene, die von der SPÖ nach dem Kanzlerduell auf Puls4 verbreitet wurde. Die positive Botschaft – der Kanzler gewinnt in sieben von acht Kategorien, die abgefragt wurden – ging unter, weil die Balkendiagramme direkt aus dem Excel-Programm exportiert wurden.

Wenn es aber zum negative campaigning betrieben werden soll, dann beginnen Parteien doch noch, Inhalte zu produzieren. Einerseits lässt der ÖVP-Generalsekretär eine Broschüre verbreiten, in der das Horrorszenario einer rot-grünen Regierung ausgemalt wird, anderseits verbreitet eine anonyme Gruppe unter schwarzbuchoevp.at Videos, Infografiken und Texte über die Verstrickung von ÖVP und Raiffeisen. Es geht also doch.

There’s an app for that

Bis zur Österreichischen Nationalratswahl am 29. September “beobachte” ich wöchentlich “das Netz,” für die ZEIT, wie sie in der Bildunterschrift zur ersten Kolumne so schön schreibt. Diese zweite Kolumne erschien am 5.9.2012.

Aus einem von mir nicht nachvollziehbaren Grund sind iPhone-Apps das weitverbreitetste Medium der Onlinekommunikation. Jene der Wiener SPÖ, der ÖVP Burgenland oder der Kärntner Freiheitlichen beschränkten ihren Nutzen auf „aktuelle News und Termine“. Dass zwei der drei Applikationen nicht mehr im AppStore zu finden sind, zeigt, wie nützlich das Angebot gefunden wurde. Ich bin nur in Ausnahmefällen ein Fan von politischen Apps. Einerseits sind sie teuer, andererseits können die meisten nichts, was nicht eine mobil optimierte Website auch könnte. An politische Apps müssen zwei Fragen gestellt werden: Werden sie von Menschen heruntergeladen, die ohnehin schon überzeugt sind? Oder helfen sie Menschen, die schon überzeugt sind, andere zu überzeugen?

Eine App, die beide Fragen zumindest mit einem konsequenten Jein beantwortet, ist das Part of the Game-Game der Grünen. Das Konzept ist simpel: Man läuft als einer der Korruptionsbeschuldigten der letzten Jahre durch das Spiel und versucht Eurofighter, Verträge oder Inserate zu sammeln. Zwar ist die App auf den ersten Blick klar parteiisch, das Spiel hat aber auch für Nichtparteigänger durchaus Unterhaltungswert. Jein auch auf die zweite Frage: Die als social gedachte Funktion des Spiels – punkten kann nur, wer Freunde via Facebook einlädt – wird zwar niemanden überzeugen, hat aber zumindest dazu geführt, dass das Spiel – nach Angaben der Grünen – von 150.000 Menschen heruntergeladen wurde. Die App zeigt aber vor allem eines: Die Grünen wollen über Korruption reden. Es wäre ihnen wohl am liebsten, einer der anderen Protagonisten des Games würde sie verklagen.

Ich twittere, daher bin ich

Bis zur Österreichischen Nationalratswahl am 29. September “beobachte” ich wöchentlich “das Netz,” für die ZEIT, wie sie in der Bildunterschrift zur ersten Kolumne so schön schreibt. Diese zweite Kolumne erschien am 29.8.2012.

In The Filter Bubble beschreibt der Aktivist und Autor Eli Pariser, wie Onlineplattformen ihre User bevormunden, indem sie Inhalte nach vermeintlicher Relevanz sortieren . Das ist eigentlich nichts Neues, schon seit je ist politischer Diskurs von Wahrnehmungsblasen geprägt. „Was nicht in der Zeitung steht, ist nicht passiert“, so könnte man zugespitzt das traditionelle Verständnis von öffentlicher Meinung zusammenfassen. Wenn der Chef über sich in der Zeitung liest, dann hat sein Pressesprecher alles richtig gemacht.

Doch langsam beginnen weitsichtige Mitarbeiter in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit (und später vielleicht auch einmal ihre Chefs) ein moderneres Bild der öffentlichen Meinung zu entwickeln. Darin wird neben traditionellen Medien auch Twitter als Wahrnehmungsblase anerkannt. Dann könnte es bald heißen: „Was nicht auf Twitter steht, ist nicht passiert.“

Der Kurznachrichtendienst wird – und das ist ein österreichisches Spezifikum – fast ausschließlich von Journalisten, Pressereferenten von Politikern und Parteien sowie politischen Meinungsbildnern bevölkert. Während sich in Deutschland die Top Ten der Twitter-Hitliste wie das Seitenblickemagazin liest, gehören in Österreich die Accounts mit den meisten Followern den Armin Wolfs und Florian Klenks . Dort findet neben politischem Diskurs auch Beziehungspflege und öffentliche redaktionelle Planung statt, was dazu führt, dass Twitter unerlässlich in der modernen Pressearbeit geworden ist.

Twitter ist dafür verantwortlich, dass in diesen Vorwahlzeiten Neos und die Piraten im Fernsehen auftauchen. Sie haben es verstanden, dass diese Kanäle ein Ballungszentrum der journalistischen Meinungsführer sind. War es früher schwer bis unmöglich für Kleinparteien, die Aufmerksamkeitsschwelle der Türhüter der veröffentlichten Meinung zu überwinden, ermöglicht es heute Twitter, sich täglich in Erinnerung zu rufen. Vor allem Twitter-User @Vilinthril , der unter seinem bürgerlichen Namen Lukas Daniel Klausner weithin unbekannt ist, fungiert als virtueller Pressesprecher der Piraten. Jedes Mal, wenn ein Journalist auf Twitter darüber spricht, dass sein Medium eine Interview-/Porträt-/Diskussions-Reihe mit den Spitzenkandidaten der Parteien plane, ist er der Erste, der sich virtuell meldet und „Hier, hier. Bitte Piraten nicht vergessen!“ ruft. Das hat bereits zu mindestens drei Fernsehauftritten und zahlreichen Interviews geführt. Wenn es jetzt die Piraten auch schaffen würden, ihre Kandidaten auf Diskussionen ebenso gut vorzubereiten, wie sie diese in Debatten hineinzulobbyieren verstehen, dann wären sie vielleicht knapper an der Vierprozenthürde.

Irrtümer im Netz

Bis zur Österreichischen Nationalratswahl am 29. September „beobachte“ ich wöchentlich „das Netz,“ für die ZEIT, wie sie in der Bildunterschrift zur ersten Kolumne so schön schreibt. Die erste Kolumne erschien erstmals in der ZEIT am 22.8.2012.

Irrtümer im Netz

Manche Leute funktionieren online nicht VON YUSSI PICK

Zum ersten Mal versuchen in diesem Wahljahr die Parteien ernsthaft, das Internet auch als Medium ihrer politischen Werbung zu nutzen – mit gemischtem Erfolg. Nach einem oberflächlichen Blick auf die unterschiedlichen Onlinewahlkämpfe könnte man meinen, die Politik beträte Neuland, doch fast jede Partei kann auch eine gelungene Initiative vorweisen. Natürlich machen Parteien in diesen vermeintlich neuen Medien Fehler – aber auch die Kommentatoren erliegen drei Irrtümern.

Der erste Trugschluss, dem sowohl Parteien als auch viele Wahlkampfanalysierer unterliegen, ist die Vorstellung, die primäre Funktion von Netz-Kampagnen sei es, neue, womöglich noch junge Zielgruppen zu überzeugen oder zu erschließen. Als würde jemand bei Facebook auf den Like-Button klicken, wenn er von der betreffenden Botschaft nicht schon überzeugt wäre. Das Netz ist ein Mobilisierungskanal, über den man Menschen, die einem bereits nahestehen, langsam in Aktivisten verwandelt. Die ÖVP etwa hat das verstanden und für Freiwillige eine eigene Kampagne mit Website, Video und E-Mail-Programm geschaffen. Bloß ob sich sechs Wochen vor der Wahl Menschen melden, die nicht ohnehin mitgearbeitet hätten, lässt sich anzweifeln.

Das zweite Missverständnis ist es, Wahlkampf im Netz damit gleichzusetzen, wie Politiker X im Netz ankommt. Manche Persönlichkeiten funktionieren online, andere nicht – so wie das auch am Stammtisch ist. Das zeigen Piraten und NEOS, die beide nicht nur auf ihre Spitzenkandidaten, sondern auf ein Netzwerk unterschiedlicher Persönlichkeiten setzen und jeweils ebenfalls als Partei kommunizieren. Auch dem Team Stronach war klar, dass sein Spitzenkandidat im persönlichen Gespräch gut ankommen mag, aber dass man im Netz doch besser über einen Parteiaccount kommuniziert.

Der dritte Fehler ist es, Onlinewahlkämpfe auf Social Media und Kennzahlen zu beschränken. Dass Michael Spindelegger über mehr Facebook-Fans als Werner Faymann verfügt, heißt nicht, dass er am 29. September auch mehr Stimmen erhalten wird. Die Grünen liegen anderseits richtig, wenn sie begreifen, dass das Netz aus vielen Kanälen besteht. Sie bringen eine App für Smartphones und Tablets heraus, sie arbeiten mit Bildern und Videos ebenso zielsicher, wie sie auf Twitter kommunizieren. Allein nur über Facebook Wähler anzusprechen wäre damit gleichzusetzen, ausschließlich vor U-Bahn-Stationen Wahlkampf zu führen.

Edgerank

2013-08-21 12.49.00Das hat man davon, wenn man ein Buch schreibt. Ein Monat nachdem es draußen ist, bräuchte es schon wieder eine Aktualisierung. Der Grundsatz „Interaktion ist manchmal wichtiger als Information“ auf Seite 98 beschreibt den Facebook EdgeRank, einen Algorithmus, der bestimmt welche Postings wir sehen (bzw: der glaubt zu wissen welche Postings wir interessant finden) und welche uns nicht gezeigt werden. Welche Faktoren das genau sind ist natürlich so geheim wie das Coca Cola Rezept.

Seit kurzem gehen Gerüchte die Runde, es gäbe über 100.000 neue Faktoren, die beim Ranking eine Rolle spielen und Facebook würde das Ding längst nicht mehr EdgeRank nennen.

Unter anderem schreibt t3n über drei neue Faktoren, die bei der Reihung eine Rolle spielen:

  • „Re-Bumping“: Besonders aktuelle Beiträge listet Facebook im oberen Teil des Newsfeeds. Bislang wurden sie aber nur einmalig angezeigt. Erfolgte keine direkte Interaktion, wurden die Beiträge bei späteren Besuchenausgeblendet. „Re-Bumping“ zeigt aktuelle Beiträge erneut bei späteren Besuchen.

  • „Last Actor“: Bei der Bewertung von Beiträgen betrachtet Facebook die letzten 50 Interaktionen eines Nutzers. Aufgrund der regelmäßigen Interaktion erscheinen Beiträge des besten Freundes demnach deutlich häufiger im Newsfeed eines Nutzers.

  • „Chronological Ordering“: Facebook versucht serielle Beiträge, die Nutzer beispielsweise während einer Sportveranstaltung oder Fernsehsendung veröffentlichen, automatisch chronologisch zu ordnen.

Was sich jedenfalls nicht ändert ist, dass wenn man eine höhere Reichweite will Interaktion ermuntern muss – oder Facebook Geld geben.