Jetzt ist es also das passiert, was ohnehin schon seit Wochen klar war: Der Senat ist ab Jänner republikanisch dominiert. DemokratInnen haben nur eines der (manchmal gar nicht so) knappen Rennen für sich entscheiden können. (1)
Trotz der pessimistischen Erwartungen gab es einige böse Überraschungen für DemokratInnen – etwa die Gouverneurswahl im liberalen von DC Vororten geprägten Maryland. Dort gewann zum erstaunen vieler Beobachter ein Republikaner.
Medial wird die Sache – hier wie drüben – auch als Abrechnung gegen Obama gelesen, doch dass Präsidenten im Laufe ihrer Amtszeit die Mehrheit verlieren ist nicht ungewöhnlich. Das hat sogar einen Namen: Six-year itch.
Warum es so schwierig ist, zu analysieren was dieser Sieg ändert, liegt vor allem am schon bestehenden Gridlock: Die Regeln, wie der Senat funktioniert wurden von der republikanischen Minderheit der letzten acht Jahre geändert. Der berüchtigte Filbuster hat die notwendige de facto Mehrheit auf 60 Stimmen erhöht. Die RepublikanerInnen haben seit gestern 52 SenatorInnen. Die Variable der nächsten Jahre: Können und wollen DemokratInnen genauso konsequent konservative Gesetzesentwürfe blockieren, wie es die RepublikanerInnen in den letzten sechs Jahren gemacht haben?
Und: Was ist eigentlich die konservative Agenda? RepublkanerInnen haben nicht wegen ihrer Forderungen gewonnen, sondern mit Phrasen und aufgrund einer allgemeinen Unzufriedenheit mit dem Präsidenten. Diese Mehrheit jetzt in Politik zu verwandeln, wird auch zu spannenden Dynamiken innerhalb der RepublikanerInnen führen. Dementsprechend wird es auch auf Policy Ebene zu überraschenden Vorstößen kommen, die uns in Europa sicher zum Teil an den Kopf greifen lassen.
Ein paar Baustellen zeichnen sich aber schon ab:
– Obamacare
Im House haben sie mittlerweile über 40 mal für eine Aufhebung der Gesundheitsreform gestimmt. Im Senat werden sie das sicher auch tun. Eine direkte Aufhebung wird aber zu 100% zu einem Veto des Präsidenten führen. Neben diesem eher symbolischen Akt gibt es andere Wege die Gesundheitsreform zu boykottieren. Einer führt über die Bundesstaaten, die einer wesentlichen Säule (die Ausweitung von Medicare auf Einkommen unter $16000) zustimmen müssen. Vier neue republikanische Gouverneure werden das schwerer machen.
– Die Keystone XL Pipeline
Präsident Obama war unentschlossen, was den Ausbau der Pipeline von Kanada bis zum Golf von Mexiko betrifft und wurde von seiner progressiven Basis und Umweltschutzorganisationen unter Druck gesetzt, die Entscheidung zumindest zu verschieben. Diese Pipeline könnte die erste Kompromissmaterie in Verhandlungen mit dem neuen Senat werden.
– The Supremes
Vier der neun Richter am Verfassungsgerichtshof sind über 70. Ruth Bader Ginsburg, die mit 81 älteste liberale Richterin hat erst im September bestätigt, dass sie ihren Sitz nicht vorzeitig räumt, weil es Obama im derzeitigen politischen Klima unmöglich wäre, eine liberale wie sie nachzubesetzen. Die anderen drei potentiellen Pensionisten sind konservative und denken dementsprechend nicht daran, Obama die Freude zu machen zu gehen. Sollte einer von ihnen unfreiwillig gehen (aka sterben) würde das die Machtverhältnisse am Gericht deutlich verschieben. Zwar würde Obama niemals wieder so liberale Kandidatinnen durch den Senat bekommen, wie die Richterinnen Kagan und Sotomayor, aber selbst ein/e moderater RichterIn wäre eine Sensation und eine langfristige Veränderung der politischen Verhältnisse. Wenn sich Bader Ginsburgs Meinung tatsächlich nicht ändert, muss sie bis 2016 überleben und hoffen, dass sich das Klima ändert. ODER sie hofft auf die Lame Duck Session.
– Lame Duck Session
Weil früher die Wahlmänner aus den Weststaaten den ganzen langen weg nach Washington reiten mussten, um ihr Ergebnis zu verkünden, findet die Angelobung des neuen Senats erst Ende Jänner 2015 statt. Bis dahin sind noch die abgewählten Abgeordneten in Amt und Würden und die wesentlich freier als bisher. Heißt: Abgeordnete aus Konservativen Bezirken müssen nicht mehr auf ihr Wahlvolk Rücksicht nehmen und können machen was sie wollen. In dieser Dynamik könnte noch das eine oder andere kontroversielle Appointment gemacht werden, bevor DemokratInnen endgültig ihre Mehrheit verlieren.
– 2016
Das Electorate von Midterms und Präsidentschaftswahlen ist völlig anders. Wahlloses Beispiel: Bei den Senatswahlen in New Mexico 2012 gingen fast 800,000 Menschen zur Wahl. Gestern waren es knapp 500,000. In Texas, wo dieses Jahr sogar Gouverneurswahlen waren, waren es 3,9 Millionen vs. 7,5 vor zwei Jahren. Der direkte Einfluss auf die Wahlen oder die Möglichkeit 2014 als Omen zu betrachten sind also gering. Wohl aber hat die diesjährigen Wahl einen indirekten Einfluss auf 2016: nämlich auf der oft vernachlässigten Bundesstaatebene. Tatsächlich gibt es ja keine allgemeinen Wahlen in den USA sondern eine pro Bundesstaat, mit eigenen Regeln, Abläufen, etc. Diese werden von den lokalen Parlamenten bestimmt und vom Secretary of State administriert. Spätestens seit 2000 wissen wir, wie viel Einfluss diese lokalen Regeln und Player auf den Ausgang von Wahlen haben.
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(1) In New Hampshire ist jener Republikaner gegen Senatorin Shaheen angetreten, der vor drei Jahren – damals in Massachusetts – in einer Special Election den Sitz des verstorbenen Ted Kennedy gewonnen und vor zwei Jahren gegen Elizabeth Warren verloren hat. Selbst dieser Geographischer Opportunismus hat nicht so sehr geschadet, wie die DemokratInnen erhofft hatten.